Johann Rist                            Als er einsmalen bei gar schönem Wetter auf seinem Parnaß
1607 – 1667                              sitzend von ganzem Herzen bekümmert war

 

Wie bin ich itzt auf dir so traurig, mein Parnaß ?
Das Wetter ist ja gut, es machet gleichsam lachen
Die Wiesen, welche stehn geziert mit tausend Sachen.
Dich selber schmückt ein lichtgrüner Rock von Gras.


Der Acker nah hiebei wird nicht für Hitze blass,
Der Himmel ist fein klar. Was soll ich gleichwohl machen ?
Ich fühle ja mein Herz für Angst und Trauren krachen.
Mir schmecket gar kein Brot, auch wünsch ich mir kein Glas.


Wie? schöner Elbe-Strom, dass ich auch dich muss scheuen
Wie? leichtes Feder-Volk, kannst du mich nicht erfreuen?
Ach nein! Noch Kastalis, noch das begrünte Feld,


Noch dieser schöne Fluss, den Dafnis oft gepriesen,
Noch du Parnassus selbst mit deinen bunten Wiesen
Gefallen mir. Warum? Ich hass itzt gar die Welt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Rist                            Die festeste Burg
1607 – 1667

Die wunderstarke Mau’r, so Ninus hat umgeben,

Der Babel hohe Spitz’ und ihrer Zwinger Pracht,

Die Thürme, so der Witz Egyptens hat erdacht,

Die alle schützen nicht so wohl des Menschen Leben,

 

Als ein Gewissen thut, das kühnlich sich erheben

In allem Glücke darf, das auch den Neid verlacht,

Und würd’ es gleich zuletzt in Noth und Tod gebracht,

Ein solch Gewissen kann stets fröhlich oben schweben.

 

Verhüllet sich dann gleich das wandelbare Glück,

Und zeiget, wie es pflegt, dir vielmals seine Tück’,

Auch so, daß es dich gar vermeinet auszurotten,

 

Ei wohl, verzage nicht! Ein unbeflecktes Herz

Ist sonder Angst und Furcht, ihm weichet Pein und Schmerz,

Ein gut Gewissen kann die ganze Welt verspotten.